David Shallon Sign

Memoires

Christoph Poppen Portrait
© Takao Komaru

Christoph Poppen

Principal Conductor Kölner Kammerorchester, Principal Guest Conductor Hong Kong Sinfonietta, Artistic Director Festival Internacional de Música de Marvão, Primarius Cherubini Quartett

Christoph Poppen

„Ich lernte David kennen, als er Generalmusikdirektor in Düsseldorf wurde. Freunde machten uns miteinander bekannt, und er wurde Untermieter in meiner für mich viel zu großen Wohnung. Da wir beide viel verreist waren, sahen wir uns nicht allzu oft, aber ich erinnere mich an viele wunderbare gemeinsame Mahlzeiten – nicht zuletzt in seinem libanesischen Lieblingsrestaurant. Ich glaube, ich bin nie einem Dirigenten begegnet, der bescheidener und understatementhafter wirkte als David. Er hatte eine fast jungenhafte Ausstrahlung. Ich dirigierte damals noch nicht – wie viele Fragen würde ich ihm heute gerne stellen, die ich damals noch gar nicht kannte.

Unvergesslich der Moment, als er plötzlich zusammen mit Tabea auftauchte. Es war wie das Aufleuchten einer Glückswolke, in die jeder eintauchen durfte, der in die Nähe kam. Als ich Düsseldorf bald darauf verließ, übernahmen die beiden meine Wohnung, bauten sie in schönster Weise um und hießen mich später als Gast willkommen.

Zweimal durfte ich mit David zusammen auf der Bühne stehen, wobei er in beiden Fällen Geige spielte: In Düsseldorf hatte er – schon mit Tabea! – ein Mendelsohn-Oktett zusammengestellt, bei dem wir gemeinsam musizierten. Selten in meinem Leben habe ich mehr Spaß und Freude beim Proben und im Konzert gehabt als bei diesem gemeinsamen Musikerlebnis.

Das zweite Mal war eine speziellere Situation: beim Schubert/Schostakowitsch Zyklus in Gidon Kremers Lockenhaus Festival suchte Gidon damals verzweifelt ein Streichquartett, das bereit war, das sperrige E-Dur Quartett von Schubert ins Programm zu nehmen. Alle hatten sich geweigert, auch mein Cherubini-Quartett. Dann kam er auf eine listige Idee: er wollte dieses ungewöhnliche Werk solistisch besetzen mit Boris Pergamenschikow, Tabea, David und mir. Da sagten wir nicht nein, hatten wahnsinnig viel Spaß bei der Probenarbeit, merkten aber auch bald, dass es keine Chance gab, dieses Werk in genießbarer Weise auf die Bühne zu bringen. Wir entschlossen uns dann, das Ganze zu einem Gesprächskonzert umzuwandeln, bei dem wir vor jeder schwierigen Stelle abbrachen, um dem Publikum die kühnen Modulationen des jungen Schubert zu erklären, die wir dann zum besseren Verständnis im halben Tempo vorspielten. Danach ging’s dann immer im Tempo weiter. Das Konzert wurde ein großer Erfolg…

Lieber David – DANKE für die vielen glücklichen, freundschaftlich erfüllten Momente, die ich mit Dir teilen durfte! Und die vielen Fragen, die ich Dir gerne stellen würde, müssen wohl unbeantwortet bleiben…“


Christoph Poppen
11.8.2020